Der Gesetzgeber hat ein umfangreiches Maßnahmenpaket mit weitreichenden Notfallregelungen auf den Weg gebracht, das wirtschaftliche und soziale Folgen der Covid-19-Pandemie abmildern soll. Für Arbeitgeber sind v.a. folgende Neuregelungen wichtig:
1. Kurzarbeit
Rückwirkend ab 01.03.2020 bis zum 31.12.2020 wird Kurzarbeit in verschiedener Hinsicht erleichtert[1]. Kurzarbeitergeld kann schon dann beantragt werden, wenn 10 % der Belegschaft eines Betriebs oder einer Betriebsabteilung von einem Arbeitsausfall (mit einem Entgeltausfall von mindestens 10 %) betroffen sind. Der bisherige Schwellenwert von einem Drittel wird entsprechend abgesenkt. Bei flexiblen Arbeitszeitmodellen – etwa in Form von Arbeitszeitkonten – müssen keine Minusstunden mehr aufgebaut werden, um Kurzarbeitergeld in Anspruch nehmen zu können. Außerdem kann Kurzarbeitergeld jetzt auch für Leiharbeitnehmer beantragt werden, wobei der Antrag vom Verleiher als Arbeitgeber zu stellen ist. Eine erhebliche wirtschaftliche Entlastung der betroffenen Arbeitgeber wird dadurch ermöglicht, dass die auf die Kurzarbeit entfallenden Sozialversicherungsbeiträge in vollem Umfang von der Arbeitsagentur erstattet werden.
Auch die Verpflichtung, vorrangig Urlaubsansprüche zur Vermeidung von Kurzarbeit einzubringen, wurde durch die Bundesagentur für Arbeit gelockert. Bis zum 31.12.2020 wird nicht verlangt, dass Urlaub aus dem laufenden Urlaubsjahr zur Vermeidung von Kurzarbeit zu nehmen ist, sofern bereits Urlaubswünsche/-planungen der Arbeitnehmer bestehen. Die individuellen Urlaubswünsche seien in der aktuellen Situation besonders zu schützen, damit es z.B. Eltern möglich bleibt, Urlaubstage für die Betreuung ihrer Kinder wegen der Schließung von Kitas und Schulen zu nutzen. Resturlaub aus dem Vorjahr „soll“ weiterhin zur Vermeidung von Arbeitsausfällen eingesetzt werden. Dazu sollen Arbeitgeber mit Beschäftigten den Antritt dieses „alten“ Urlaubs vereinbaren. Aber auch hier wird betont, dass die Urlaubswünsche der Arbeitnehmer vorgingen.
Erleichtert wird die Aufnahme einer Nebentätigkeit während der Kurzarbeit. Nehmen Beschäftigte während des Bezugs von Kurzarbeitergeld eine Nebentätigkeit auf, wird das daraus erzielte Entgelt grundsätzlich auf das Kurzarbeitergeld angerechnet (§ 106 Abs. 3 SGB III). Diese Anrechnung des Hinzuverdienstes wird nun eingeschränkt: Bei Aufnahme einer Nebenbeschäftigung in einem „systemrelevanten Bereich“ bleibt das Nebeneinkommen in der Zeit vom 01.04.2020 bis 31.10.2020 anrechnungsfrei, soweit das Entgelt aus dem Nebeneinkommen zusammen mit dem Kurzarbeitergeld und der ggf. vom Hauptarbeitgeber noch gezahlten Vergütung die bisherige Vergütung nicht übersteigt. Dadurch soll ein Anreiz zur Aufnahme von Nebentätigkeiten etwa im Gesundheitswesen, beispielsweise aber auch in der Landwirtschaft gesetzt werden.
2. Hinzuverdienstmöglichkeiten für Rentner
Auch die Fortsetzung oder Wiederaufnahme einer Beschäftigung nach dem Renteneintritt wird erleichtert. So können Rentner im Jahr 2020 statt bisher 6.300,00 EUR jetzt 44.590,00 EUR hinzuverdienen, ohne dass ihre Altersrente gekürzt würde.
3. Entschädigung für Verdienstausfall wegen Kinderbetreuung
Mit Wirkung ab 30.03.2020 steht Arbeitnehmern, die wegen der notwendigen Kinderbetreuung ihrer Tätigkeit nicht ausüben können, ein Entschädigungsanspruch für ihren Verdienstausfall zu[2]. Kann die Betreuung von Kindern bis zum zwölften Lebensjahr oder Kindern mit einer Behinderung nicht anderweitig sichergestellt werden, während Schulen, Kindergärten und andere Kinderbetreuungseinrichtungen behördlich geschlossen sind, kann der Arbeitnehmer eine Entschädigung erhalten (§ 56 Abs. 1a IfSG). Gegenüber der zuständigen Behörde, auf Verlangen des Arbeitgebers auch diesem gegenüber, hat der Arbeitnehmer darzulegen, dass keine zumutbare Betreuungsmöglichkeit für das Kind gegeben ist, beispielsweise durch den anderen Elternteil oder in der Notbetreuung der Schule bzw. des Kindergartens. Dabei ist eine Betreuung durch die Großeltern nicht zumutbar, wenn diese aufgrund ihres Alters der Risikogruppe für COVID-19 angehören. Der Entschädigungsanspruch besteht nicht, soweit eine Schließung der Einrichtung ohnehin während der Schulferien erfolgt wäre (also insbesondere während der Osterferien). Vorrangig gegenüber der behördlichen Entschädigung sind andere Möglichkeiten der vorübergehenden bezahlten Freistellung zu nutzen, insbesondere der Abbau von Zeitguthaben und des Resturlaubs aus dem Vorjahr. Auch Ansprüche auf Kurzarbeitergeld gehen dem neuen Entschädigungsanspruch vor, falls im Betrieb des Arbeitgebers Kurzarbeit angeordnet ist.
Die Entschädigung, die höchstens für sechs Wochen gewährt wird, beläuft sich auf 67 % des Nettoeinkommens, ist aber auf einen monatlichen Höchstbetrag von 2.016,00 EUR begrenzt. Den Entschädigungsbetrag hat der Arbeitgeber auszuzahlen, der sich die entsprechenden Beträge dann von der zuständigen Behörde erstatten lassen kann (§ 56 Abs. 5 IfSG). Auf die Entschädigung ist u.a. ein Zuschuss des Arbeitgebers anzurechnen, soweit dieser – zusammen mit der Entschädigung – den tatsächlichen Verdienstausfall übersteigen sollte (§ 56 Abs. 8 Nr. 1 IfSG).
4. Zeitgrenzen für kurzfristige Beschäftigung (Saisonarbeit)
Um dem Arbeitskräftemangel bei der Saisonarbeit – insbesondere in der Landwirtschaft – Rechnung zu tragen, wird die Zeitgrenze für eine geringfügige (und damit im Grundsatz sozialversicherungsfreie) Beschäftigung in der Form der kurzfristigen Beschäftigung vorübergehend – nämlich vom 01.03. bis 31.10.2020 – ausgeweitet. Eine kurzfristige Beschäftigung kann jetzt bis zu einer Höchstdauer von fünf Monaten oder 115 Tagen (bislang drei Monate oder 70 Arbeitstage) vorliegen[3].
5. Ausnahmen vom Arbeitszeitgesetz
In das Arbeitszeitgesetz wird eine Verordnungsermächtigung aufgenommen, die Ausnahmen von den bestehenden Arbeitszeitvorschriften ermöglicht. Dies soll dazu beitragen, die Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, des Gesundheitswesens, der Pflegeversorgung, der sonstigen Daseinsvorsorge und die Versorgung der Bevölkerung mit existenziellen Gütern sicherzustellen[4]. Es bleibt abzuwarten, für welche Bereiche entsprechende Verordnungen erlassen werden.
6. Stundung von Sozialversicherungsbeiträgen
Nach der Stundung von Steuerzahlungen wurde nunmehr auch die Stundung von Sozialversicherungsbeiträgen erheblich erleichtert[5]. Die Sozialversicherungsbeiträge für die Monate März bis Mai 2020 können ohne Verzinsung und ohne Sicherheitsleistung bis Ende Juni gestundet werden, wenn die sofortige Einziehung der Beiträge mit erheblichen Härten für den Arbeitgeber verbunden wäre. Arbeitgeber müssen glaubhaft machen können, dass sie infolge der COVID-19-Pandemie erheblichen finanziellen Schaden erlitten haben, z.B. in Form von Umsatzeinbußen. Vorrangig sind jedoch Maßnahmen wie die Inanspruchnahme von Kurzarbeitergeld sowie staatlicher Fördermittel und/oder Kredite. Unternehmen, die aufgrund vollständiger Schließung „Kurzarbeit Null“ durchführen, erhalten ohnehin die gesamten Sozialversicherungsbeiträge erstattet (s.o. 1.).
7. Steuerfreie Bonuszahlungen
Bundesfinanzminister Olaf Scholz hat angekündigt, in der Corona-Krise Bonuszahlungen für Arbeitnehmer bis zu 1.500,00 EUR steuerfrei stellen zu wollen. Dies soll durch eine Anweisung an die Finanzverwaltung umgesetzt werden. Dadurch sollen v.a. Bonuszahlungen an Arbeitnehmer unterstützt werden, die in der Krise besonders gefordert sind, wie z.B. Pflegefachkräfte, Kassierer in Supermärkten oder auch LKW-Fahrer. Ob allerdings gerade diese Berufsgruppen derzeit mit Bonuszahlungen rechnen können, dürfte zu bezweifeln sein. Krankenhäuser klagen über Liquiditätsprobleme, da sie vorsorglich Kapazitäten für COVID-19-Patienten vorhalten, die Belegung herunterfahren und planbare Operationen verschieben müssen. Auch Speditionen sind in erheblichem Maße von Umsatzeinbußen und Kurzarbeit betroffen, sodass Boni für LKW-Fahrer eher die Ausnahme bleiben dürften.
[1] Gesetz zur befristeten krisenbedingten Verbesserung der Regelungen für das Kurzarbeitergeld vom 13.03.2020, BGBl. I 2020, S. 493; Verordnung über Erleichterungen der Kurzarbeit vom 25.03.2020, BGBl. I, S. 595.
[2] Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite vom 27.03.2020, BGBl. I, S. 587.
[3] Gesetz für den erleichterten Zugang zu sozialer Sicherung und zum Einsatz und zur Absicherung sozialer Dienstleister aufgrund des Coronavirus SARS-CoV-2 (Sozialschutz-Paket) vom 27.03.2020, BGBl. I, S. 575.
[4] Gesetz für den erleichterten Zugang zu sozialer Sicherung und zum Einsatz und zur Absicherung sozialer Dienstleister aufgrund des Coronavirus SARS-CoV-2 (Sozialschutz-Paket) vom 27.03.2020, BGBl. I, S. 575.
[5] Rundschreiben 2020/197 des GKV-Spitzenverbands vom 24.03.2020.