Das Jahr 2021 neigt sich langsam dem Ende und zuversichtlich blicken wir auf das Jahr 2022. Auch aus arbeitsrechtlicher Sicht wird das Jahr 2022 mit Spannung erwartet. Die turnusmäßig alle vier Jahre stattfindenden Betriebsratswahlen stehen in der Zeit von 01. März bis 31. Mai 2022 an. Das Wahlverfahren hat seine gesetzliche Grundlage im Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) und in der Wahlordnung (WO) und ist sehr komplex, was insbesondere die Wahlvorstände stets vor große Herausforderungen stellt. Der Arbeitgeber begleitet das Wahlverfahren zwar nicht aktiv, da er lediglich die Rolle eines neutralen Beobachters einnehmen soll, um sich insbesondere nicht dem (strafrechtlichen) Vorwurf der Behinderung bzw. Beeinflussung der Betriebsratswahl auszusetzen. Trotz allem hat er ein berechtigtes Interesse an einem ordnungsgemäßen Ablauf des Wahlverfahrens, nicht zuletzt, weil er die Kosten der Wahl zu tragen hat.
Für die anstehenden Betriebsratswahlen nimmt das am 18.06.2021 in Kraft getretene Betriebsrätemodernisierungsgesetz eine bedeutende Rolle ein. Dieses hat einige Änderungen im Betriebsverfassungsrecht mit sich gebracht hat, welche auch gerade das Wahlverfahren betreffen und deren Kenntnisse für die Durchführung einer ordnungsgemäßen Betriebsratswahl somit unerlässlich sind. Die wesentlichen Neuerungen sehen wie folgt aus:
- Ausweitung des vereinfachten Wahlverfahrens
Der Anwendungsbereich für das vereinfachte Wahlverfahren nach § 14a BetrVG wurde insoweit angepasst, dass bei einer Anzahl von bis zu 100 anstelle der bisher geltenden 50 wahlberechtigten Arbeitnehmer das vereinfachte Verfahren Anwendung findet. Bei einer Anzahl von 101 bis 200 (anstatt der bisher 51 bis 100) wahlberechtigten Arbeitnehmern kann das vereinfachte Verfahren zwischen dem Wahlvorstand und dem Arbeitgeber vereinbart werden. In Betrieben mit weniger als 200 wahlberechtigten Arbeitnehmern kann die anstehende Betriebsratswahl somit im „vereinfachten Wahlverfahren“ erfolgen und somit im Ergebnis schneller durchgeführt werden.
- Reduzierung der Stützunterschriften
Auch die Zahl der notwendigen Stützunterschriften für einen Wahlvorschlag wurde gesenkt. Mit dem neugefassten § 14 Abs. 4 BetrVG sind in (Klein-)Betrieben mit bis zu 20 Wahlberechtigten keine Stützunterschriften mehr notwendig. In Betrieben mit 21 bis 100 Wahlberechtigten müssen Wahlvorschläge zwei Stützunterschriften aufweisen und in Betrieben mit mehr als 100 Wahlberechtigten verbleibt es bei der Regelung von mindestens 1/20, aber höchstens 50 benötigten Unterschriften.
- Aktives Wahlrecht ab 16 Jahren
Das Lebensalter zur Wahlberechtigung wurde von 18 auf 16 Jahre herabgesetzt. Künftig sind gemäß § 7 BetrVG alle Arbeitnehmer, die das 16. Lebensjahr vollendet haben, berechtigt, an der Betriebsratswahl teilzunehmen. Das passive Wahlrecht gem. § 8 BetrVG bleibt hingegen unverändert. Wählbar sind daher weiterhin nur Arbeitnehmer, die das 18. Lebensjahr vollendet haben. Durch das gesenkte Lebensalter zur Wahlberechtigung werden daher künftig mehr Arbeitnehmer an der Betriebsratswahl teilnehmen.
- Eingeschränkte Wahlanfechtung
Weiterhin wurde die Anfechtbarkeit von Betriebsratswahlen wegen Fehlern in der Wählerliste in § 19 Abs. 3 BetrVG eingeschränkt. Demnach ist eine Anfechtung, die sich auf einen Fehler in der Wählerliste stützt, nur zulässig, wenn zuvor ordnungsgemäß Einspruch gegen ihre Richtigkeit eingelegt wurde. Der Arbeitgeber kann nicht anfechten, wenn die Wählerliste aufgrund seiner eigenen Angaben unrichtig ist.
- Ausweitung des Sonderkündigungsschutzes
Gemäß § 15 Abs. 3a S. 1 Kündigungsschutzgesetz (KSchG) bestand schon bisher ein besonderer Kündigungsschutz für die ersten drei Beschäftigten, die in der Einladung zu einer Betriebsversammlung bzw. in der Antragsstellung zur Bestellung eines Wahlvorstands aufgeführt werden. Dieser Schutz ist auf für die ersten sechs genannten Mitarbeiter erweitert worden. Außerdem wurde der besondere Kündigungsschutz auf sog. Vorfeldinitiatoren ausgeweitet (§ 15 Abs. 3b KSchG). Danach ist ein Arbeitnehmer, der Vorbereitungshandlungen zur Errichtung eines Betriebsrats unternimmt und in einer öffentlich beglaubigten Erklärung (§ 129 BGB) seine Absicht erklärt, einen Betriebsrat zu errichten, von der Abgabe der beglaubigten Erklärung bis zum Zeitpunkt der Einladung zu einer Betriebs- oder Wahlversammlung, längstens jedoch für drei Monate, vor personen- und verhaltensbedingten Kündigungen geschützt.
Hinzu kommen noch einige Änderungen in der Wahlordnung. Dies betrifft u.a. den Versand von Briefwahlunterlagen, die Korrektur der Wählerliste und die Regelungen zur Stimmabgabe.
Auch unter Heranziehung der Neuerungen ist und bleibt die Durchführung der Betriebsratswahl ein komplexer und fehleranfälliger Prozess, so dass Arbeitgeber (weiterhin) gut beraten sind, sich mit den gesetzlichen Regelungen und auch mit den Neuerungen vertraut zu machen.
Neben den Betriebsratswahlen wird das Jahr 2022 sicherlich weitere spannende Themen aus dem Arbeitsrecht bereithalten. Das Pohl&Bauer-Team wünscht Ihnen und Ihren Familien ein frohes Weihnachtsfest und einen guten Start in das Jahr 2022.